Prophylaxe und Therapie von ansteckenden Krankheiten
Gegen die hitzigen Fieber und Pestilentzen empfahlen
die Bücher eine geradezu unüberschaubare Menge von Anwendungen
und Rezepturen der weltlichen Medizin. Für die Theologen
und Mediziner war die Verbindung von theologischer und medizinischer
Seuchenbewertung möglich, da man das Modell einer hierarchischen
Krankheitsbewertung entwickelt hatte: übergeordnet war die
göttliche Strafe (causa prima), die sich in natürlichen
Ereignissen (causa secunda) äußern sollte. In seinem
unermeßlichen Einfluß auf Natur und Mensch sollte
Gott ungünstige Planetenkonstellationen und damit Fäulniß
und Krankheit bewirkt haben. Medizin und ärztliches Handeln
waren nicht als sinnlos oder gar als gotteslästerlich zu
bewerten, sondern hatten in der Unterstützung der geistlichen
Medizin ihre Bedeutung. Seit frühester Zeit lehrte das Christentum,
daß Gott die materielle Welt zum Nutzen des Menschen geschaffen
habe und es somit die Verpflichtung jedes Christen, Kranker wie
Heiler, sei, den Körper als temporären Aufenthaltsort
der unsterblichen Seele zu pflegen und körperliche Leiden
mit Arzneien zu heilen oder zu lindern.
In den meisten Fällen widmete man sich in den Schriften zunächst
der Prophylaxe, was auch die Sensibilisierung für die Wahrnehmung
von frühen Anzeichen einer nahenden Seuche beinhaltete. Die
hier aufgeführten Maßnahmen verdeutlichen, wie die
"Ansteckung" als besondere Eigenschaft dieser Krankheiten
im zeitgenössischen Denken verankert war. In erster Linie
sollte die Ausbreitung des schädlichen "Pestgiftes"
verhindert werden, was zu vielfältigen Maßnahmen der
Reinhaltung der öffentlichen und privaten Bereiche führte.
Diese wie auch die beschriebenen Quarantänemaßnahmen
können als Beginn der organisierten öffentlichen Gesundheitsvorsorge
angesehen werden. Die Pockenschutzimpfungen im 18. Jahrhundert
erhöhten den Stellenwert der Seuchenprophylaxe dann noch
einmal deutlich.
Die in den zeitgenössischen Schriften empfohlenen Purgantien,
Laxantien und Alexipharmaca, das Schröpfen, der Aderlaß
oder starkes Schwitzen sind auf der Grundlage der in der Frühen
Neuzeit noch gültigen Humoralmedizin zu verstehen. Auf deren
Basis deutete man das Entstehen von fiebrigen und ansteckenden
Krankheiten als Ausdruck eines von außen herbeigeführten
Ungleichgewichts der individuellen Komplexion der Humores, der
Körpersäfte. Dies galt es in der medizinischen Behandlung
wieder auszugleichen. Die Maßnahmen kennzeichnen die drei
"Säulen" der praktischen Medizin in Mittelalter
und Früher Neuzeit: die Diätetik, die Heilmittellehre
sowie die Chirurgie.