18. September 2024
Seit einiger Zeit verfolgt die HAB das Ziel, die Open-Access-Transformation für die eigenen Dienste und Angebote umzusetzen, um eine transparentere und nachhaltigere Forschungspraxis zu fördern und Wissenschaftler*innen in ihrer Arbeit zu unterstützen. Neben den Digitalen Editionen, der Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften und dem Repositorium APIS für die Veröffentlichungen aus dem Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel (MWW) ist das institutionelle Online-Repositorium der nächste große Schritt, um an der HAB freien Zugang zu retrodigitalisierter Forschungsliteratur, Forschungsdaten und in Kürze auch wissenschaftlichen Erstveröffentlichungen zu ermöglichen.
In diesem Beitrag berichten Dr. Gudrun Schmidt, Leiterin der Abteilung Veröffentlichungen, und Birgit Kosmale, langjährige Mitarbeiterin der Abteilung, von der Arbeit an dem Repositorium, den Beweggründen der HAB und den Perspektiven für die neue Plattform.
Kian Pontes Trabula (KT): Frau Schmidt, Sie sind seit 2010 Leiterin der Abteilung für Veröffentlichungen. Die Abteilung funktioniert wie ein kleiner institutioneller Verlag, aber was kann man sich darunter vorstellen?
Dr. Gudrun Schmidt (GS): In unserer Abteilung sind die klassischen Bereiche eines Verlags vertreten: Lektorat und Redaktion, Layout und Bildbearbeitung sowie Vertrieb und Marketing.
Wenn also ein Buch an der HAB entstehen soll, bieten wir den Herausgeber*innen und Autor*innen alle grundlegenden Services an, damit aus ihrem Manuskript eine gelungene Veröffentlichung entsteht.
KT: Die Bibliothek verlegt schon seit 52 Jahren gedruckte Bücher und bringt sie auf verschiedenen Vertriebswegen auf den Markt. Was ist die Motivation für den Aufbau eines Online-Repositoriums?
GS: Unsere älteren Publikationen werden retrodigitalisiert und auf der Plattform im Open Access auf dem sogenannten Grünen Weg veröffentlicht. Auch für unsere Erstveröffentlichungen planen wir künftig eine Publikation hybrid in analoger und digitaler Form, womit wir den Anspruch des Publizierens im Open Access auf dem sogenannten Goldenen Weg erfüllen. Das Online-Repositorium stellt nun den bis dahin fehlenden Publikationsort für beides dar.
Mit der Entscheidung, gedruckte Bücher digital und kostenfrei einsehbar sowie weiternutzbar anzubieten, erfüllen wir nicht nur die zeitgemäßen Wünsche unserer Kund*innen (Wissenschaftler*innen und Nutzer*innen), sondern ziehen auch an einem Strang mit den mittelgebenden Institutionen wie zum Beispiel der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder den Ministerien und der HAB als Ganzer.
KT: Wie sahen die verschiedenen Arbeitsschritte zu dem am 21.05.2024 gelaunchten HAB Repositorium aus?
GS: Bereits vor Jahren haben wir damit begonnen, unsere älteren Publikationen systematisch zu scannen, um digitale Versionen zu erzeugen. Etwa zwei Jahre hat es dann in Anspruch genommen, diese Scans zu bearbeiten und anhand der Inhaltsverzeichnisse für die Lektüre zu strukturieren. Nach Beendigung dieser Arbeiten wurden die Rechtsinhaber*innen der Texte und Bilder um ihr Einverständnis zur digitalen Publikation gebeten. Dies ist ein laufender Prozess, auf den Birgit Kosmale noch genauer eingeht. Parallel haben wir Konzepte dazu erarbeitet, wie und in welchen Schritten die Publikation im Open Access durchgeführt werden soll und, was die zugehörige Publikationsplattform, also das heutige Repositorium, leisten muss. Die technische Umsetzung unseres Konzepts gelang zusammen mit einem externen Dienstleister.
Zum Launch des Repositoriums konnten wir somit 40 digitale Veröffentlichungen – bei denen die Nutzungsrechte geklärt waren – als auch interne Forschungsdatensätze zur Verfügung stellen.
KT: Frau Kosmale, Sie arbeiten seit 2013 an der HAB und sind nun schon seit Juli 2023 mit dem Einholen des Einverständnisses zur Open-Access-Publikation beschäftigt. Was ist das für eine Aufgabe und von welchem Aufwand sprechen wir hier?
Birgit Kosmale (BK): Im Januar 2022 haben wir damit angefangen, die Titel aller Bände, die der Beiträge in allen Reihen und Zeitschriften inkl. aller Herausgeber*innen, Beiträger*innen und Mitarbeitenden zu erfassen. Anschließend – im Juli 2023 – wurden die ersten Herausgeber*innen und Beiträger*innen per Mail und per Post angeschrieben. Dabei wurden sie um ihr Einverständnis zur Retrodigitalisierung gebeten und zu den dazugehörigen Bildrechten befragt.
Wir haben uns bei den Anfragen zuerst auf Publikationen des Hausverlags im Zeitraum von 1972 bis 1999 konzentriert. Diese Publikationen sind insofern problematisch, da viele Beiträger*innen trotz intensiver Recherche nicht mehr aufzufinden sind. Ca. 36 % dieser Personen sind bereits verstorben; hier suchen wir nach Erben und Angehörigen – eine echte Detektivarbeit.
Im Team haben wir einen Workflow erarbeitet, der sich stetig weiterentwickelt. Wir arbeiten mit drei Personen zeitgleich in der Academic Cloud an Adresslisten und Formularen.
Der Aufwand ist enorm, zumal sich die Suche im weiteren Verlauf kompliziert gestaltet. Wenn wir über die Informationen auf einschlägigen Plattformen nicht mehr weiterkommen, sind wir auf die Mithilfe von Herausgeber*innen und Beiträger*innen angewiesen. Auch an ehemalige Arbeitsstätten, wie Universitäten oder Bibliotheken, wenden wir uns bei unserer Suche. Und zuletzt haben wir auch die Belegschaft der Herzog August Bibliothek als ‚Schwarmwissen‘ nach besonders schwierigen Fällen befragt. Auf diese Weise haben wir tatsächlich einige wertvolle Tipps bekommen.
Nach einem Jahr intensiver Recherche können wir Folgendes verzeichnen: Es wurden 2.467 Beiträger*innen erfasst, von denen wir bisher ca. 1.200 angeschrieben haben. Davon haben 696 Personen ihr Einverständnis zur Retrodigitalisierung gegeben. Trotz der Komplexität und des erheblichen Aufwands haben wir schon große Erfolge vorzuweisen. Das motiviert mich, mit Eifer und Hartnäckigkeit weiter zu recherchieren.
KT: Das klingt ja nach einer richtigen Mammutaufgabe!
Die Arbeit an dem Repositorium ist also ein laufender Prozess?
BK: Genau, das ist ein laufender Prozess. – Sobald wir für eine Reihe von Veröffentlichungen (ca. 10) die Rechte geklärt haben, können die bereits bearbeiteten und strukturierten Daten hochgeladen werden.
Parallel arbeiten wir daran, aktuelle Veröffentlichungen im Open Access (Gold) und hybrid zu publizieren. Das heißt konkret, dass die digitale Version eines Bands künftig parallel zur Printausgabe auf dem Repositorium erscheinen kann.
KT: Können es also alle Verlagsveröffentlichungen auf die Plattform schaffen?
BK: Ja, sofern uns die Rechte dafür vorliegen. – Das planen wir aber in mehreren Schritten (an das Erscheinungsjahr der Publikation gekoppelt).
KT: Frau Schmidt, können Sie noch ein abschließendes Resümee zum Repositorium ziehen?
GS: Die Plattform ermöglicht den Interessent*innen nach und nach Zugang zu vielen schon lange vergriffenen Publikationen aus dem institutionellen Verlag. Dabei kann man komfortabel über die grundlegenden bibliographischen Angaben (Autor*innen, Titel, Themen, Stichworte) suchen. Die Publikationen zusammen mit den Forschungsdaten bieten einen guten Einblick in die an der HAB entstandene Forschung.
Zudem sind mit dem Repositorium nun die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, um künftig neue Veröffentlichungen im Open Access publizieren zu können.
KT: Vielen Dank für diese tollen Aussichten!
Titelbild: Open-Access-Logo vor einem Regal mit den Veröffentlichungen des Hausverlags der Herzog August Bibliothek.
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