Die Ius-Commune-Bibliothek wurde von der Universität Osnabrück im Jahr 1991 als geschlossene Sammlung von dem wissenschaftlichen Antiquariat Keip für 1 Mio DM erworben. Grundstock bildete eine von Keip angekaufte Gelehrtenbibliothek aus Oberitalien, die das Antiquariat planvoll aus dem eigenen Fundus ergänzte. Das Ganze brachte es dann 1989/1990 als Ius-Commune-Bibliothek auf den Markt.

Die rund 1.200 Titel in 900 Bänden umfassende Ius-Commune-Bibliothek dokumentiert wie kaum eine andere geschlossen aufgestellte juristische Sammlung die Entwicklung des kontinentaleuropäischen Rechts vom 13. bis zum ausgehenden 18. Jhs. Hauptgegenstand der Sammlung ist – wie ihr Name verdeutlicht – das gemeine römisch-kanonische Recht, das sog. ius commune, welches sich in der Folge der Rezeption spätantiker Rechtsquellen herausbildete und bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts galt. Neben wenigen sehr alten Drucken, die ältesten sind eine Inkunabel, eine Nürnberger Stadtrechtsreformation von 1484, gedruckt von Anton Koberger, und 14 Postinkunabeln, stammt der größte Teil der Sammlung aus der Zeit von 1540 bis 1600 und aus den Jahren nach 1660. Der jüngste Druck datiert aus dem Jahre 1802.

Von den älteren Rechtsquellen sind verschiedene Ausgaben des Corpus Iuris Civilis und des Corpus Iuris Canonici ebenso vorhanden wie der Codex Theodosianus (Lyon 1665) oder Friedrich Lindenbrogs Codex legum antiquarum (Frankfurt 1613) und zahlreiche Ausgaben des Sachsenspiegels. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Rechtsquellen dokumentiert sich in Werken wie der Glossa ordinaria des Franciscus Accursius (Venedig 1583-84) oder der Summe des Azo (Venedig 1584). Sehr umfangreich ist die Sammlung an mittelalterlichen Kommentatoren wie Bartolus de Saxoferrato und Baldus de Ubaldis, Albericus de Rosate, Franciscus de Accoltis und Ludwig Pontanus. Die wissenschaftliche Durchdringung des kanonischen Rechts kann in den Werken von Franciscus Zabarella, Antonius de Butrio, Petrus de Ancherano, Filippo Decio und Johannes Monachus und für das Spätmittelalter in dem Dekretalen-Kommentar von Nicolaus de Tudeschis (Panormitanus), Venedig 1588, verfolgt werden.

Den Beginn der neuzeitlichen Rechtswissenschaft prägen die Vertreter der sog. französischen Schule, die "Eleganten Juristen", und später in ihrer Nachfolge die Protagonisten der niederländischen Schule. Zu nennen sind Barnabé Brisson, Jacques Cujas, Franciscus Duarenus, Hugo Donellus, Johannes Faber, Franciscus Hotman und Pierre Loriot für die Elegante Jurisprudenz, Cornelius van Bynkershoek, Arnold Vinnius, Johann Voet und Gerard Noodt als Vertreter der niederländischen Schule. Die Herausbildung einer deutschen Gemeinrechtswissenschaft kann in den wichtigsten Werken der Juristen des usus modernus pandectarum verfolgt werden: Johannes Brunnemann, David Mevius, Georg Adam Struve bis hin zu Augustin Leyser und dessen berühmten 11 Büchern Meditationum ad Pandectas (Leipzig, Braunschweig, Wolfenbüttel 1761–1786). Erwähnt sei auch das sich unter dem Einfluss des kanonischen Rechts entwickelnde deutsche Prozessrecht, das z. B. mit den Werken von Benedikt Carpzov (Processus iuris, Leipzig 1708) und Justus Henning Böhmer (Doctrina de actionibus, Frankfurt am Main 1756) verknüpft ist. Weiteres findet sich zum Handelsrecht oder zum Staatsrecht wie z. B. in den Werken von Hermann Conring und Philipp Knipschildt.

Einen großen Bereich bilden die Konsilien- und Dezisionensammlungen. Von ca. 50 italienischen, spanischen, französischen und deutschen Juristen, Legisten wie Kanonisten, liegen gesammelte Konsilien vor. Die Entwicklung des ius commune lässt sich auch anhand von Entscheidungssammlungen von Gerichten z. B. des Leipziger Schöffenstuhls (in verschiedenen Werken Benedikt Carpzovs) und des Obertribunals von Wismar (in der Dezisionensammlung von David Mevius, Frankfurt und Stralsund 1675) verfolgen. Schließlich gehören über 12.000 Entscheidungen der Rota Romana zum Bestand der Ius-Commune-Bibliothek.

Bis heute war dieser für die Rechtsgeschichte wichtige Bestand nur ungenügend erschlossen. Ein nur lokal in Osnabrück verfügbarer alphabetischer Bandkatalog war das einzige, was bislang der Forschung zur Verfügung stand. Um die Sammlung auch für die breitere Fachöffentlichkeit überregional zugänglich zu machen, wurden die Drucke im Kompetenzzentrum für Alte Drucke der Herzog August Bibliothek nach den strengen Regeln der Arbeitsgemeinschaft Alte Drucke katalogisiert. Schlüsselseiten, vor allem Titelblätter, wurden digitalisiert und dem Katalogisat beigegeben. Ab sofort stehen über den Computerkatalog der UB Osnabrück, den Gemeinsamen Bibliotheksverbund und mittelbar auch den Karlsruher Virtuellen Katalog, diese Drucke in einer mustergültig erschossenen Form der Forschung und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung; bedeutende Schätze aus Niedersachsen wurden gehoben. Möglich gemacht hat dies eine der Universität Osnabrück gewährte großzügige Zuwendung der Klosterkammer Niedersachsen, mit der die Katalogisierungsarbeiten in Wolfenbüttel finanziert wurden.

Über den jeweils aktuellen Katalogisierungsstand informiert ein Suchlink in den Katalog der UB Osnabrück.