Rundgang

 

 

 

 

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9. (Kat. Nr. 18)

Euricius Cordus: Eyn Regiment, wie ma[n] sich vor der Newen Plage/ Der Englisch schweiß genant/ bewaren/ Un[d] so man damit ergriffen wirt/ darin[n] halten sol.
Marburg: 1529. [8] Bl.; 4°.
Signatur: 23.1 Med. (7)

Der "englische Schweiß" ist bis heute nicht eindeutig einer der nach der modernen medizinischen Diagnostik klassifizierten Krankheiten zuzuordnen [1]. Die offenbar hochinfektiöse Krankheit trat schon um 1485 in England auf; nach einzelnen weiteren Ausbrüchen, ging sie erstmals um 1528/29 auf den Kontinent über. Wie schnell der Buchmarkt mittlerweile auf kurzfristige Anfordernisse reagieren konnte, belegen die in mehreren deutschen Städten um 1529 gedruckten Kleinschriften, die sich mit der "newen ungehörten schröcklichen kranckheit" (Bl. Av) auseinandersetzten und schnellen Rat geben wollten. Der Sammelband mit der Signatur "23.1 Medica" in Herzog Augusts Bibliothek enthält allein drei dieser äußerst seltenen Quellen aus dem Jahr 1529 aus Nürnberg und Marburg. Hier erschienen schon innerhalb der ersten Septembertage zwei Versionen eines Regiments gegen die "newe Plage" von dem Marburger Medizinprofessor Euricius Cordus (1484-1535), einst Stadtarzt in Braunschweig und Emden. Die 1967 von Gunter Mann noch für verschollen geglaubte Urfassung ist in dem Wolfenbütteler Sammelband nachzuweisen. Neben seiner geographischen Herkunft gab dem "sudor anglicus" ein besonders auffallendes Symptom seinen Namen: das kurz nach Ausbruch der Krankheit einsetzende übermäßige Schwitzen und der "übel stinckende" Schweiß. Aufgrund einer solchen allgemeinen Diagnose, die in den volkssprachigen Schriften schnell verbreitet wurde, gab es bald hysterische Verdächtigungen gegen alle, die heftig ins Schwitzen gerieten. Das Unheil bemängelte Martin Luther, der 1529 schon an einen Freund darüber schrieb: "das Artzneybüchlein, so wider diese Kranckheit ausgangen, ist Ursache, daß viele, wenn sie anfangen zu schwitzen, gleich erschrecken und dencken, sie hätten das Uebel am Halse"[2].

Aufgeschlagen: Titelblatt.


[1] Seit dem 19. Jh. gibt es Zuordnungen verschiedenster Art, beispielsweise zur Influenza, Malaria, zu einer Virusencephalitis, vgl. Gunter Mann: Euricius Cordus. Der Englische Schweiß. 1529, hrsg. und mit einem Nachwort von G. Mann, Marburg 1967, Nachwort S. 5.

[2] Luther am 29.8.1529 an Wenzeslaus Link, zitiert nach Gunther Mann: Euricius Cordus, S. 3.

 

 
 

 

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