Kastratensänger – professionelle Sopran- und Altsänger, deren Stimmwechsel durch einen Eingriff im Kindesalter aufgehalten wurde –, waren in Westeuropa spätestens seit Mitte des 16. Jahrhunderts beschäftigt. Während sie zunächst ein Schattendasein fristeten, wurden sie im späten 16. Jh. und in der ersten Hälfte des 17. Jh.s rasant beliebter, zahlreicher und sichtbarer. Da ein ‚Frauengesangsverbot‘ kein hinreichender Grund für das Phänomen sein kann (- schließlich florierte zeitgleich auch der Frauengesang an italienischen Höfen und in Klöstern), will ich in meiner Arbeit die bisher kaum beforschte frühe Konjunktur des Kastratengesangs unter die Lupe nehmen und multidisziplinär nach Faktoren suchen, die diese begünstigt haben. Dafür ziehe ich zum einen Quellen der Medizin-, Kirchen- und Rechtsgeschichte heran sowie zeitgenössische ethnographische, historiographische und literarische Zeugnisse (Teil I). Zum anderen ist die musikbezogene und musikalische Praxis Thema: die Orte und Institutionen, Produzenten und Agenten des Kastratengesangs (Teil II) sowie ihre sängerischen und darstellerischen Fähigkeiten, besonders im Kontext der frühen Operngeschichte (Teil III).
Heidrun Eberl
15.04.-14.07.2023
Gefördert durch die Rolf und Ursula Schneider-Stiftung
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