Präambel

Als international renommierte Forschungs- und Studienstätte für die europäische Kulturgeschichte ist sich die Herzog August Bibliothek (HAB) ihrer besonderen Verantwortung für die Förderung und Qualitätssicherung des wissenschaftlichen Arbeitens bewusst. Sie bekennt sich daher ausdrücklich zu den Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis (Kodex) der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Das folgende rechtsverbindliche Regelwerk formuliert das wissenschaftliche Ethos der HAB. Es soll Mitarbeitenden sowie Kooperationspartnern für Fragen wissenschaftlicher Redlichkeit und Integrität sensibilisieren und ihnen zugleich Orientierung für ein verantwortliches Handeln in allen Bereichen der Forschung bieten. Darüber hinaus benennt das Regelwerk Verfahren im Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten. Diese Leitlinien treten mit der Veröffentlichung auf der Homepage der HAB in Kraft.

 

§1 Leitprinzipien

(1) Die an der HAB beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verpflichten sich zu einem Arbeiten auf Grundlage der anerkannten Prinzipien, Methoden und Erkenntnisse ihrer Fachdisziplin (lege artis). Sie aktualisieren regelmäßig ihren Wissensstand zu den Standards guter wissenschaftlicher Praxis und zum Stand der Forschung. Die für Forschung und Erkenntnisbildung verwendeten Materialien, Quellen und Forschungsergebnisse Dritter werden ebenso wie die angewandten Methoden der Erschließung und Analyse in zuverlässiger und nachprüfbarer Weise dokumentiert. Zur Wahrung des geistigen Eigentums wird jegliche Forschungsleistung stets genau bestimmt und ihre tatsächliche Urheberschaft namentlich ausgewiesen.

(2) Infrastruktur und Organisation der HAB bieten die notwendigen Voraussetzungen für eine gute wissenschaftliche Praxis. Sie garantiert eine dauerhafte Sicherung und Zugänglichkeit von Forschungsdaten und Forschungsergebnissen aus den an ihr durchgeführten Projekten. Dazu hat die HAB ein Forschungsdatenmanagement entwickelt.

(3) Die HAB verfolgt in der Besetzung ihrer Stellen eine konsequente Chancengleichheit. Sie tritt für die Gleichstellung der Geschlechter und Vielfältigkeit ein.

 

§2  Förderung des wissenschaftlichen Personals

(1) Die HAB schafft geeignete Rahmenbedingungen für die Entwicklung relevanter Forschungsfragen, die Ausarbeitung eines angemessenen Forschungsdesigns und die Durchführung der Forschungsarbeiten.

(2) In verschiedenen Veranstaltungsformaten der HAB – Kolloquium für Stipendiatinnen und Stipendiaten, Werkstattgespräch, Forschungskolloquium – wird der Austausch zwischen erfahrenen Forschenden und dem Nachwuchs gefördert.

(3) Die HAB fördert wissenschaftliche Karrieren durch ein umfangreiches Stipendienprogramm, durch promotionsbegleitende und Postdoc-Stellen sowie durch studentische und wissenschaftliche Hilfskraftstellen. Bei der Organisation von Veranstaltungen, der Publikation wissenschaftlicher Ergebnisse sowie im Umgang mit dem Altbestand bietet sie Möglichkeiten, wichtige Kompetenzen zu erwerben.

(4) Aufgrund der spezialisierten Arbeitsbereiche ermöglicht die HAB ihren Mitarbeitenden eine weiterführende fachliche Spezialisierung, etwa im Bereich der Paläografie oder in der digitalen Editorik. Die HAB unterstützt die Karriereplanung des wissenschaftlichen Personals durch die Möglichkeit, an Fortbildungen teilzunehmen.

 

§3  Organisationsverantwortung der Leitung

(1) Die Organisationsstruktur der HAB ermöglicht es, dass Aufgaben und Zuständigkeiten der Leitung, fachlichen Aufsicht, Qualitätssicherung und Konfliktregelung eindeutig zugewiesen sind.

(2) Die Leitung der HAB ist für die Vermittlung der Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis an ihrer Einrichtung zuständig.

(3) Die Verfahren für die Personalauswahl und die Personalentwicklung sowie für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sind schriftlich festgelegt.

(4) Innerhalb eines Projekts sind die Aufgabenbereiche und Verantwortlichkeiten der beteiligten Personen klar definiert. Regelmäßige Treffen dienen dem Austausch der Projektbeteiligten und im Bedarfsfall notwendigen Anpassungen der Aufgabenbereiche und Verantwortlichkeiten. Machtmissbrauch und das Ausnutzen von Abhängigkeitsverhältnissen sind durch geeignete organisatorische Maßnahmen sowohl auf der Ebene der einzelnen wissenschaftlichen Arbeitseinheit als auch auf der Ebene der Leitung zu verhindern.

(5) Für den wissenschaftlichen Nachwuchs sind geeignete Betreuungsstrukturen und ‑konzepte etabliert. Eine Beratung für die Laufbahn und die weiteren Karrierewege für das wissenschaftliche und wissenschaftsakzessorische Personal wird angeboten.

 

§4  Überprüfung und Beurteilung

(1) Die Leitungspersonen der HAB sorgen in den von ihnen betreuten Projekten für die Einhaltung der guten wissenschaftlichen Praxis.

(2) Die Arbeitsbedingungen eines Projekts werden regelmäßig durch die zuständigen Leitungspersonen auf ihre Angemessenheit überprüft. Dadurch sollen die Zusammenarbeit gestärkt, die wissenschaftliche Leistung gefördert und die individuelle Karriereförderung gewährleistet werden. Vgl. §3 (5).

(3) In der Beurteilung des wissenschaftlichen Personals können die Leitungspersonen neben der wissenschaftlichen Qualität auch andere individuelle Leistungen ergänzend hinzuziehen.

(4) Die mit Überprüfung und Beurteilung betrauten Personen verpflichten sich zur Vertraulichkeit und zur Bekanntgabe einer möglichen Befangenheit. Im Falle von Befangenheit oder bei Interessenskonflikten ist die Ombudsperson zu kontaktieren.

 

§5  Ombudspersonen

(1) Für Fragen der guten wissenschaftlichen Praxis sowie für die Meldung vermuteten Fehlverhaltens gibt es eine Ombudsperson sowie eine stellvertretende Ombudsperson, die u. a. im Falle einer möglichen Befangenheit zu kontaktieren ist. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Wahl, sich entweder an die Ombudsperson der HAB oder an das überregionale Gremium zu wenden. Eine gleichzeitige Befassung beider Stellen ist nicht möglich. Die Ombudspersonen werden von den Beschäftigten der HAB für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt. Eine Wiederwahl ist möglich. Die gewählten Ombudspersonen werden im Schwarzen Brett der HAB und im Wiki bekanntgegeben.

(2) Bei den Ombudspersonen handelt es sich um wissenschaftliches Personal mit Leitungserfahrung, die als neutrale Ansprechpersonen in Fragen guter wissenschaftlicher Praxis und in Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens beraten und soweit möglich zur lösungsorientierten Konfliktvermittlung beitragen. Während der Ausübung dieses Amtes dürfen Ombudspersonen nicht Mitglieder des zentralen Leitungsgremiums sein.

(3) Alle Gespräche mit Ombudspersonen erfolgen in beiderseitiger Vertraulichkeit.

(4) Die Einrichtung gewährleistet die inhaltliche Unterstützung und Akzeptanz der Ombudsarbeit.

 

§6 Dokumentation

(1) Für die Nachvollziehbarkeit der Forschungsergebnisse wird deren Zustandekommen durch die Projektbeteiligten dokumentiert. Dies erfolgt nach den fachspezifischen Gepflogenheiten. Wird die Dokumentation von Forschungsergebnissen den entsprechenden (fachlichen) Vorgaben nicht gerecht, werden die Einschränkungen und Gründe dafür nachvollziehbar dargelegt.

(2) Bei der Entwicklung von Softwarelösungen im Rahmen eines Projekts wird der Quellcode dokumentiert und für die Nachnutzung zugänglich gemacht.

 

§7  Nutzungsrechte

(1) Die Nutzung der von den wissenschaftlich Arbeitenden im Rahmen eines Projekts erschlossenen, ermittelten und erhobenen Forschungsdaten steht während der Projektlaufzeit insbesondere ihnen selbst zu. Darüber hinaus sind sie zum Zwecke der Qualitätssicherung und des Projektmanagements der Leitung des Arbeitsbereichs zugänglich zu machen.

(2) Nach Abschluss des Projekts gehen die Forschungsdaten und ihre Nutzungsrechte in den Besitz der HAB über. Die HAB sorgt dafür, dass die Forschungsdaten archiviert werden und dauerhaft zugänglich sind. Im Falle von elektronischen Daten verpflichtet sich die HAB zur Sicherung derselben in einem verlässlichen Speicher. Zur Wahrung von Persönlichkeitsrechten sind ggf. Sperrfristen zu vereinbaren. Näheres regelt der projektbezogene Datenmanagementplan.

(3) Die von den Projektbeteiligten erarbeiteten Forschungsergebnisse werden als deren geistiges Eigentum betrachtet. Die Leitungspersonen tragen Sorge, dass die damit verbundenen Rechte und Verantwortlichkeiten für alle Projektbeteiligten gewahrt bleiben.

(4) In der Publizierung von Forschungsdaten und Forschungsergebnissen sind bestehende Rechte Dritter zu wahren.

 

§8 Autorschaft

(1) Autorin und Autor ist, wer einen genuinen, nachvollziehbaren Beitrag zum Inhalt einer wissenschaftlichen Publikation geleistet hat.

(2) Reicht ein Beitrag nicht aus, um eine Autorschaft zu rechtfertigen, kann diese Unterstützung in Fußnoten, im Vorwort oder im Acknowledgement angemessen anerkannt werden.

(3) Eine Ehrenautorschaft ist nicht zulässig.

(4) Eine Leitungs- oder Vorgesetztenfunktion begründet für sich allein keine Mitautorenschaft.

(5) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verständigen sich, wer Autorin oder Autor der Forschungsergebnisse werden soll. Die Verständigung über die Reihenfolge der Autorinnen und Autoren erfolgt rechtzeitig, in der Regel spätestens dann, wenn das Manuskript formuliert wird, anhand nachvollziehbarer Kriterien unter Berücksichtigung der Konventionen jedes Fachgebietes.

(6) Ohne hinreichenden Grund darf eine erforderliche Zustimmung zu einer Publikation von Ergebnissen nicht verweigert werden. Die Verweigerung der Zustimmung muss mit einer nachprüfbaren Kritik an Daten, Methoden und Ergebnissen begründet werden.

 

§9 Publikation der Forschungsergebnisse

(1) Die im Rahmen eines Projekts erzielten Forschungsergebnisse sind durch deren Urheberinnen und Urheber in geeigneter Weise in den wissenschaftlichen Diskurs einzubringen. Die Entscheidung über das öffentliche Zugänglichmachen von Forschungs-ergebnissen darf nicht von Dritten abhängen.

(2) Jede tatsächliche Autorschaft wird durch namentliche Nennung kenntlich gemacht.

(3) Die Urheberinnen und Urheber sind verantwortlich für die Relevanz und die Qualität ihrer Beiträge. Die Leitungspersonen tragen Sorge, dass die notwendigen Bedingungen der Qualitätssicherung gegeben sind. Nachträglich festgestellte Unstimmigkeiten in Veröffentlichungen sind zu berichtigen.

(4) Sofern im Projektantrag kein Publikationsformat für die Forschungsergebnisse vereinbart wurde, können die Projektbeteiligten dieses selbst wählen. Dabei sind Publikationsorgane mit eigenen Standards zur guten wissenschaftlichen Praxis zu bevorzugen.

(5) Darüber hinaus unterstützt die HAB Publikationsvorhaben durch ihre eigene Publikationsabteilung sowie durch die Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften (ZfdG).

(6) Zukünftig wird die HAB verstärkt die Open Access-Publikation von Forschungsergebnissen unterstützen.

 

§10 Wissenschaftliches Fehlverhalten

(1) Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt bei einer Person insbesondere dann vor, wenn diese in einem wissenschaftlichen Zusammenhang vorsätzlich oder grob fahrlässig Falschangaben macht, sich fremde Leistungen unberechtigt zu eigen macht oder die Forschungstätigkeit anderer beeinträchtigt. Der Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist unverzüglich der Ombudsperson bzw. der stellvertretenden Ombudsperson zu melden, siehe §5.

(2) Die untersuchende Stelle behandelt den Namen der hinweisgebenden Person vertraulich und gibt ihn nicht ohne entsprechendes Einverständnis an Dritte heraus. Etwas anderes gilt nur, wenn hierzu eine gesetzliche Verpflichtung besteht oder die von den Vorwürfen betroffene Person sich andernfalls nicht sachgerecht verteidigen kann. Die hinweisgebende Person ist auch im Fall eines nicht erwiesenen wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu schützen, sofern die Anzeige der Vorwürfe nicht nachweislich wider besseres Wissen erfolgt ist.

(3) Anonymen Anzeigen wird nicht nachgegangen.

(4) Es gilt in jedem Fall der Grundsatz der Unschuldsvermutung. Im Verdachtsfall sind die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person oder Personen zu wahren. Alle diesbezüglichen Mitteilungen sind vertraulich zu behandeln.

(5) Die Ombudsperson trägt Sorge, dass der hinweisgebenden Person aus ihrer Meldung kein persönlicher oder beruflicher Nachteil entsteht.

(6) Zur Untersuchung eines begründeten Verdachtsfalls setzt die Direktion der HAB eine fünfköpfige Kommission ein. Die Kommission besteht aus dem Verwaltungsleiter bzw. seinem Stellvertreter, der Ombudsperson bzw. der stellvertretenden Ombudsperson, einem Mitglied des Personalrats sowie zwei weitere Personen des wissenschaftlichen Personals, die vom Direktor bestimmt werden. Die Mitglieder der Kommission sind zur Offenlegung von Tatsachen verpflichtet, die die Besorgnis einer Befangenheit begründen können. Für Fälle von Befangenheit, Interessenskonflikten oder Verhinderung sind Stellvertretungen vorgesehen.

(7) Der betroffenen und der hinweisgebenden Person ist in jeder Verfahrensphase die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(8) Stellt die Kommission in gemeinsamer Beratung ein wissenschaftliches Fehlverhalten fest, entscheidet der Direktor über Konsequenzen für die betroffenen Personen. Zu diesen gehören je nach Art und Schwere des Fehlverhaltens: die schriftliche Rüge, die Abmahnung, die Aufforderung an die betroffene Person, die inkriminierte Veröffentlichung zurückzuziehen oder falsche Daten zu berichtigen sowie die Meldung bei der DFG und/oder dem Fördergeber. In diesem Fall gelten die Sanktionsmaßnahmen des Fördergebers.