Die grafischen Sammlungen der Herzog August Bibliothek umfassen insgesamt rund 90.000 Blatt Druckgrafik des 15. bis 19. Jahrhunderts, darunter die Porträtsammlung mit rund 30.000 Blatt, eine Sammlung von Exlibris und die Kartensammlung. Die Künstlerbuchsammlung bietet einen repräsentativen Querschnitt der modernen Druckgrafik seit dem frühen 20. Jahrhundert. Die Bibliothek besitzt darüber hinaus eine Gemäldesammlung, überwiegend Porträts von Fürst*innen und Gelehrten.
Graphische Sammlung
Rund 20.000 Blätter Holzschnitte, Kupferstiche, Radierungen, Lithographien und Zeichnungen aus dem 15. bis 19. Jahrhundert bilden die Graphische Sammlung mit den Signaturengruppen Graph. und Graph. Res. (Graphische Reserve). Der reichhaltige Bestand an Kunstblättern wurde im ersten, personengebundenen Großteil nach Jahrhunderten geordnet und innerhalb dieser alphabetisch nach dem Namen der Stecher*innen, Holzschneider*innen, Drucker*innen, Maler*innen, Zeichner*innen oder Verleger*innen. Im zweiten Großteil der anonymen Darstellungen wird eine Ordnung nach Motiven bzw. inhaltlichen Komplexen angewandt. Hervorzuheben sind wichtige Bestände zu Architektur und Festungswesen (zahlreiche Risse und Zeichnungen); thematisch geordnete Blätter zur Kriegskunst, zum Heerwesen, zu einzelnen Bereichen der Kulturgeschichte; Schlachten- und Belagerungsdarstellungen, Kalender, Almanache und anderes; Blätter über Sterne und Wunderzeichen sowie Stücke aus der Technikgeschichte.
Verzeichnung: Im Rahmen des von der DFG geförderten Projekts Virtuelles Kupferstichkabinett (in Kooperation mit dem Herzog Anton Ulrich-Museum) wurde die Sammlung zu einem großen Teil digitalisiert, neu katalogisiert und in einer Datenbank präsentiert. Die weitere Erschließung erfolgte im Rahmen des vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst geförderten Projekts Kupferstichkabinett online (in Kooperation mit dem Herzog Anton Ulrich-Museum, dem Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Göttingen und dem Bildarchiv Foto Marburg).
Zeichnungen: Die Bestände enthalten mehrere hundert Handzeichnungen. Zu den künstlerisch bedeutendsten vgl. Friedrich Thöne, Bemerkungen zu Zeichnungen in der Herzog-August-Bibliothek zu Wolfenbüttel, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 6 (1967) 167–206.
Topographische Sammlung
Der 4.364 Blätter umfassende Bestand der Signaturengruppe Top. enthält vor allem Kupferstiche, Lithographien und Handzeichnungen, aber auch 413 Fotografien. Schwerpunkt der Sammlung sind Ansichten aus dem Braunschweiger und Hannoverschen Gebiet. Viele Blätter betreffen den Harz. Vorhanden sind ferner Ortsansichten aus dem Deutschen Reich mit Sonderbeständen zu Berlin, Brandenburg und Ludwigsburg, ferner topographische Ansichten aus anderen europäischen und außereuropäischen Territorien, darunter hervorragende Italienstiche. Die Blätter werden mit Unterstützung der Anneliese Speith-Stiftung restauriert.
Zur Topographischen Sammlung gehört auch ein Teil der Sammlung Gesenius, der so genannte Topographische Apparat (Top. App.). Er besteht aus zwei Klebebänden mit 636 Ansichten aus dem Herzogtum Braunschweig und geht auf den Juristen und Sammler Karl Gesenius (1746–1829) zurück. Dieser Teilbestand ist ebenso wie zahlreiche weitere Topographica im Virtuellen Kupferstichkabinett online zugänglich.
Verzeichnung: Virtuelles Kupferstichkabinett (noch unvollständig) und Standortkatalog (an den Auskunftsplätzen einzusehen). Der reiche Bestand an Romstichen ist in Auswahl publiziert von Wolfgang Kelsch, Rom in alten Stichen. Macht und Glanz der Ewigen Stadt. 100 Ansichten des 16. bis 18. Jahrhunderts nach Originalen der Herzog August Bibliothek zu Wolfenbüttel, Hannover 1975.
Illustrierte Flugblätter
Seit Herzog Augusts Sammlertätigkeit besitzt die Bibliothek eine der größten Sammlungen illustrierter Flugblätter. Lessing wusste diese als "Bilderreime" und "fliegende Kupferstiche oder Holzschnitte satyrischmoralischen und satyrischpolitischen Inhalts" zu schätzen. Ins 20. Jahrhundert gelangten sie aber nicht als kompakte Sammlung. Einzelne, einst durchgezählt geordnete Blätter vorwiegend aus den Jahren 1590 bis 1660 fanden sich bis 1974 in der Bibliothek gemischt mit Druckgraphik unterschiedlichster Art. Heute stehen die Flugblätter geordnet nach fünf Sachgruppen unter den Signaturen IE (Ethica), IH (Historica), IP (Politica), IQ (Quodlibetica) und IT (Theologica).
Viele Blätter waren schon von Herzog August in thematisch geordneten Konvoluten in den Kontext von Buch-Literatur eingeordnet worden. Weitere Blätter sind Bestandteil von Handschriftenbänden, besonders regelmäßig in Reiseberichten des Bücheragenten Philipp Hainhofer (1578–1647), der den Herzog speziell zum Sammeln derartiger Blätter ermuntert hat. Eine weitgehend geschlossen erhaltene Sammlung, angelegt von Franz von Domsdorff während seines Studiums in Rostock 1564–1567, ist in dem Konvolut mit der Signatur 95.10 Quod. 2° erhalten, aus dem jedoch – wie auch aus dem anderen Bestand – einige Blätter in die Graphische Sammlung des Herzog Anton Ulrich Museums in Braunschweig gelangt sind.
Der gesamte Flugblätterbestand hebt sich mit seiner Ausbildung mehrerer inhaltlicher Akzente – religiöse, politische, ethische, naturwissenschaftliche – von anderen, oft einseitigeren historischen Sammlungen durch eine enzyklopädische Orientierung ab. Daher lässt sich in Wolfenbüttel das Inhalts- und Funktionsspektrum dieses Bild und Text kombinierenden Mediums der Frühen Neuzeit in voller Breite studieren.
Verzeichnung: Wolfgang Harms, Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Sammlung der Herzog August Bibliothek, Bd. 1-3, Tübingen 1985–1989
Seit 1997 befindet sich die Sammlung Stopp als Depositum in der Herzog August Bibliothek. Sie umfasst 60 illustrierte Flugblätter und 3 Fragmente aus den Jahren 1559 bis 1797. Die Sammlung zeigt Flugblätter aus den verschiedensten Bereichen. Mehrere Flugblätter widmen sich etwa der Belagerung und Eroberung Belgrads (1688) und dem Mord an acht Frauen in Kuttenberg (1738).
Verzeichnung: Thomas Weißbrich, Illustrierte Flugblätter. Die Sammlung Stopp. Eckensberger Stiftung, Dep. 4.9 FM 1-50 (maschinenschriftliches Verzeichnis mit Abb., 2000), Anhang: Dep. 4.9 FM 51-60 und 3 Fragmente ohne Signatur (2005).
Porträtsammlung
Die Sammlung entstand in ihrer heutigen Form um 1970 durch Auflösung und Vereinigung von drei älteren Sammlungen der Bibliothek: (1) einer Sammlung von Nürnberger Porträts vornehmlich des 17. Jahrhunderts (ca. 2.000 dargestellte Personen, einschließlich Dubletten); (2) der Sammlung des Wolfenbütteler Juristen Carl Gesenius, 1833 vom Bibliothekar Schönemann erworben und vermehrt, mit Gelehrtenbildnissen des 17. und 18. Jahrhunderts in 56 Klebebänden; (3) einer in 13 Mappen nach Stechern geordneten Sammlung. Alle Blätter wurden 1969–1972 und 1980-1982 restauriert und auf Karton gezogen bzw. unter Passepartout gelegt. Die Aufbewahrung erfolgt in vier verschiedenen Formaten (Format I und II = Oktav und Quart, Format III und IV = Groß- und Imperial-Folio).
Die Sammlung umfasst ca. 32.000 Blätter (darunter ca. 6.000 Dubletten): Format I ca. 22.000 Blätter in 305 Kästen, Format II ca. 8.000 Blätter in 127 Kästen, Format III ca. 2.000 Blätter in 110 Schubläden, Format IV ca. 100 Blätter in 10 Schubläden. Hinzu kommen: 4 Kästen Schattenrisse (189 Nummern), ein Kasten alte Porträtzeichnungen, meist nach Kupferstichen (64 Nummern), ein Kasten alte Photographien (83 Nummern). Die Sammlung enthält Blätter aller druckgraphischen Verfahren (Holzschnitt, Kupferstich, Radierung, Schabkunst, Lithographie) vom 16. Jahrhundert bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, mit Schwerpunkt auf dem 17. Jahrhundert. Dargestellt sind überwiegend Gelehrte und Vertreter*innen des Bürgertums des 17. und 18. Jahrhunderts, vornehmlich aus den protestantischen deutschen Gebieten (darunter viele lutherische Theologen), ferner viele Nürnberger Patrizier und Ratsherren. Zahlreich vorhanden sind auch Fürst*innenbildnisse, besonders braunschweigisch-lüneburgische, brandenburgische und sächsische, sowie Abbildungen der Bischöfe von Mainz und Würzburg.
Erschließung: Katalog der graphischen Porträts in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel 1500–1850. Reihe A: Die Porträtsammlung, bearb. von Peter Mortzfeld, Bd. 1-50, München-London-New York-Oxford-Paris 1986-2008.
Die Sammlung ist digitalisiert und mit den vollständigen Beschreibungen Mortzfelds über die Portraitdatenbank der HAB zugänglich. Die Digitalisate und Kerndaten aus Mortzfelds Katalog sind auch über das Portal "Digitaler Porträtindex" online verfügbar.
Gemälde
In den verschiedenen Häusern und Räumen der Bibliothek werden insgesamt etwa 150 Ölgemälde aufbewahrt, welche großenteils schon die alte Leibniz'sche Rotunde schmückten. Es handelt sich in der Hauptsache um Gelehrtenporträts und um Bildnisse braunschweigischer Fürsten. Zu nennen sind Porträts von Martin Luther und Katharina von Bora aus der Schule Lucas Cranachs, ferner Bildnisse der Herzöge Julius und August im Vestibül der Bibliotheca Augusta und Porträts von Spinoza, Bayle, Leibniz, Lessing und Eva König.
Zur Bestandsliste
Verzeichnung: Die Gemälde der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel: Bestandskatalog / von Michael Wenzel. Unter Mitarb. von Bärbel Matthey. Wiesbaden: Harrassowitz, 2012. (Wolfenbütteler Forschungen Bd. 133).
Postkarten
Die Herzog August Bibliothek besitzt eine Postkartensammlung (Ansichtskarten) von ca. 17.000 Stück aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und aus dem frühen 20. Jahrhundert. Abgebildet sind Motive aus nahezu allen deutschen Städten, aber auch aus vielen europäischen und außereuropäischen Ländern. Die Sammlung ist nach dem Alphabet der Städte geordnet und darin grob nach einzelnen Motiven (Baudenkmäler, Sehenswürdigkeiten usw.). Der Hauptteil der Sammlung wurde von Friedrich Wilhelm Gottlieb Cruse (1836-1908) eingebracht, der seit 1878 Direktor der Strafanstalt Wolfenbüttel war.
Verzeichnung: Maschinenschriftliches Verzeichnis bei der Lesesaalauskunft in der Bibliotheca Augusta.