Die zeitgenössische Genealogie bildete diese Struktur ab und avancierte damit zu einer für die Herrschafts- und Funktionseliten unerlässlichen Leitwissenschaft, die eine unübersehbare Menge von Bildern und Texten hervorbrachte, in denen die Abstammungs- und Verwandtschaftsverhältnisse des europäischen (Hoch-)Adels thematisiert wurden. Das Projekt untersuchte einen Teilbereich dieser von der bisherigen Forschung weitgehend vernachlässigten Literatur, nämlich die im ausgehenden 16. Jahrhundert entstehende und im 17. Jahrhundert anwachsende Gattung der universalen Handbücher, welche die genealogischen Daten der meisten oder wichtigsten Fürstenhäuser in gedruckter Form verzeichneten. Für das Alte Reich, auf das sich das Vorhaben beschränkt, ergibt sich ein Corpus von bis zu 70 oft mehrbändigen Kompendien.

Doch entsprang diese Auswahl nicht nur pragmatischen, sondern auch methodischen Erwägungen. Denn während die partikularen Genealogien einzelner Dynastien von Informationsknappheit geprägt waren und die sich ergebenden Lücken mit fiktiven, mythischen Ahnen füllten, bestand das gegenteilige Problem der Universalgenealogien im Informationsüberfluss. Deshalb stellten sich die Fragen der Selektion, Systematik, Darstellung und Vermittlung genealogischen Wissens hier in besonderer Schärfe. Erschwerend kommt hinzu, dass die Organisation des Materials in diesen typographischen Datenspeichern nicht allein nach dem Gesichtspunkt der Benutzerfreundlichkeit vorgenommen werden konnte, da der Gliederung stets auch politische Implikationen eingeschrieben waren, etwa Rangzumessungen an einzelne fürstliche Häuser. Wissens- und Herrschaftsordnung waren also eng miteinander verschränkt.

Das Forschungsvorhaben (2007-August 2013) konzentrierte sich auf die formalen, paratextuellen und inhaltlichen Merkmale sowie die Funktionsgeschichte der einschlägigen Druckschriften. Es ging dabei von der These aus, dass das Genre im Laufe des 17. Jahrhunderts eine Entwicklung erfuhr, die eng mit der allgemeinen Geschichte verknüpft war und schlagwortartig als Weg vom repräsentativen Folianten zum handlichen Nachschlagewerk, von der fürstlichen Gedächtnispflege zur aktuellen Information und von der Genealogie zur integralen Staatenkunde umrissen werden kann.

Projektbeteiligte: Dr. Volker Bauer (Kontakt)