26. Februar 2021
HAB: Vom Konzept zur endgültigen Umsetzung – wie lange hat der Prozess rund um das neue Corporate Design für die HAB gedauert? Worin lagen die Herausforderungen?
Simone Schöler: Wir starteten im Mai 2017 mit mehreren intensiven Workshop-Tagen. Zusammen mit Beteiligten aus vielen verschiedenen Bereichen des Hauses haben wir hier eine Positionierung erarbeitet, sie ist das konzeptionelle Grundgerüst für das neue Corporate Design der HAB. Ende August wurde die eigentliche Gestaltung dann der gesamten Belegschaft in der Augusteerhalle präsentiert und mit der Übergabe des Gestaltungshandbuches im November war die Arbeit am Corporate Design abgeschlossen.
Wir haben bei unseren Besuchen in Wolfenbüttel viele Gespräche geführt und gute Eindrücke gewinnen können. Neben den Ergebnissen der Workshops spielten sie bei der Entwicklung des Designs eine wesentliche Rolle. Das neue Erscheinungsbild sollte insbesondere die große Reputation der HAB als ein international anerkannter Forschungsstandort herausstellen. Es war uns daher wichtig, nicht nur die Geschichte der Bibliothek zu befragen, sondern diese vor allem mit einer zeitgemäßen Formensprache in der Gegenwart und Zukunft zu verorten und damit auch einem Generationenwechsel insbesondere in der wissenschaftlichen Community Rechnung zu tragen. Die Vielseitigkeit des Standortes – Forschungseinrichtung, touristisches Ziel, musealer Raum, Veranstaltungsort für Kulturelles – sollte vor allem auf der Webseite klarer kommuniziert werden. Eine Herausforderung lag darin, damit sehr unterschiedliche Zielgruppen – Tagestourist*innen, Doktorand*innen, Schüler*innen, Kulturpublikum – gleichzeitig anzusprechen. Dass wir hier zusammen mit der Kommunikationsabteilung, der Leitung und vielen involvierten Mitarbeiter*innen der HAB einen sehr gut sortierten und strukturierten Zugang für diese verschiedenen Zielgruppen geschaffen haben, sehen wir als einen großen Erfolg in der Zusammenarbeit an.
HAB: Warum ist ein neues Corporate Design für die HAB so wichtig?
Simone Schöler: In der Außendarstellung der Herzog August Bibliothek hatten sich über die Jahre viele Unschärfen eingeschlichen – durch die Benutzung in vielen verschiedenen Abteilungen mit unterschiedlichen Bedürfnissen war eine klare Erkennbarkeit und grafische Ausdruckskraft verloren gegangen. Insbesondere die Webseite folgte nicht mehr in allen Bereichen einem nutzerfreundlichen Aufbau. Für die Bibliothek und den Forschungsstandort ist es elementar, in einem internationalen Umfeld erkennbar und gut strukturiert aufzutreten. Nur so können die einzelnen Teile – Webseite, Publikationen, Ausstellungsplakate usw. – zusammen ein angemessenes Bild von der Vielfältigkeit ›unter einem Dach‹ vermitteln.
HAB: Mit Blick auf das neue Design-Konzept - welche Schriftarten stehen im Fokus und was sind ihre Vorzüge?
Simone Schöler: Wir haben zwei Schriften eines international ausgerichteten Schriftenhauses ausgewählt. Die Schweizer Type-Foundry Grilli Type entwirft hochqualitative Schriftsätze, die die Formensprachen historischer Entwürfe mit zeitgenössischen Stilen intelligent kombinieren. GT America für Headlines und Infotext kombiniert exzellente Schweizer Typografie mit Details der amerikanischen Postmoderne. GT Sectra für Fließtext und Titeleien in der Buchgestaltung macht darüber hinaus die Pionierleistung des Buchdrucks erfahrbar und transformiert diesen Geist mit Ecken und Kanten in einen charakteristischen Gegenwartsentwurf.
Wir sahen es als Kern unseres Auftrags an, die Geschichte, die Quelle des Wissensschatzes der HAB, in einem zeitgenössischen Stil weiterzuerzählen. Die Grilli Schriften leisten genau diesen Transfer, indem sie einen klassischen Antiqua-Entwurf mit zeitgenössischen Details ergänzen.
HAB: Die neuen Farben wecken eine Vielzahl an Assoziationen…
Simone Schöler: Zu Beginn unserer Arbeit für das neue Erscheinungsbild unternahmen wir mehrere Streifzüge durch die Bibliotheks- und Ausstellungsräume. Neben vielen schwarzen Lettern auf weißem Grund entdeckten wir auch sehr farbenfrohe, leuchtende Bildtafeln. Die Kraft und Ausdrucksstärke, die aus diesen Beispielen historischer Buchkunst spricht, wollten wir sichtbar machen und haben daher einen besonderen Akzent auf die Verwendung von Farbe gesetzt.
HAB: Das Logo ist nun viel minimalistischer. So weisen die Buchstaben unterschiedliche Stärken auf. Was verbirgt sich dahinter?
Simone Schöler: Wir haben dem Logo der HAB damit einen Archivcharakter gegeben. Es erinnert an ein Ordnungssystem, von links nach rechts, von oben nach unten und spiegelt den Auftrag einer Bibliothek wieder: Suchen, Finden, Wissen. Durch die Anordnung der Zeichen entsteht ein wiedererkennbares Bild. Die unterschiedliche Strichstärke der Zeichen deutet einen Fokus auf das Zentrum an. Wie unter einem Brennglas stehen die Zeichen hier in stärkerem Gewicht und dünnen nach außen hin aus.
HAB: Welche Kriterien waren für Sie bei der Gestaltung des neuen Corporate Designs besonders relevant?
Simone Schöler: Mit der neuen Struktur der Website wollen wir den Benutzer*innen zwei Zugänge ermöglichen. Zum einen sollten sie bestimmte Inhalte und Informationen gezielt suchen können, was durch das übersichtliche Hauptmenu erleichtert wird. Zum anderen sollte es aber auch möglich sein, die Bibliothek und ihre Angebote ohne Vorwissen oder konkrete Fragestellung zu entdecken. Die Übersichtsseiten der Bereiche »Forschung, Bibliothek, Kultur« laden die Benutzer*innen ein, sich von den Angeboten und Einblicken in die Arbeit der HAB inspirieren zu lassen.
Die Herzog August Bibliothek ist ein Wissenscampus, der Angebote für unterschiedlichste Interessen macht. Das möchte das gesamte neue Corporate Design vermitteln, sowie eine Wertschätzung gegenüber jeder Besucherin und jedem Besucher, sei es ein Tagestourist oder eine Stipendiatin. Es soll ihnen darüber hinaus zeigen, dass sich die HAB als Wissenschaftsstandort und Ort der Kulturvermittlung trotz ihrer überwiegend historischen Bestände an Gegenwart und Zukunft orientiert.