25. Mai 2021

Am Vormittag des 22. April 2021 herrschte an der Herzog August Bibliothek eine ungewöhnliche Atmosphäre. Einige Mitarbeiter*innen bewegten sich mit Tablets oder Smartphones, das Gerät direkt vor sich haltend und laut sprechend durch die Arbeitsräume, andere saßen vor farbenfrohen PowerPoint Präsentationen in ihren Büros. Hin und wieder ertönten aus den Geräten neugierige Kinderstimmen: „Warum lagerte Herzog August seine Bücher über dem Marstall?“, „Was passierte mit Frau und Kind von Gotthold Ephraim Lessing?“, „Wurde der Leibniz Keks nach Gottfried Wilhelm Leibniz benannt?“ – keine Frage blieb unbeantwortet.

Nachdem die Zukunftstage im Jahr 2020 gänzlich ausfallen mussten, fanden sie im Jahr 2021 überwiegend digital statt. 2.823 digitale Angebote für 89.454 Schüler*innen der Klassen fünf bis zehn gab es bundesweit. Darunter auch die Angebote der HAB. Nach einer gemeinsamen Begrüßung der 12 Mädchen und 9 Jungen durch den Direktor, Prof. Dr. Peter Burschel, gab Dr. Volker Bauer einen Einblick in die Geschichte und Gegenwart der Bibliothek. Anschließend beantworteten die Mitarbeiter*innen allgemeine Fragen, bevor es nach einer kurzen Pause in Kleingruppen weiterging. Die Mädchen bekamen dabei Einblicke in die von Männern dominierten Bereiche der HAB, wie zum Beispiel die EDV, die digitalen Geisteswissenschaften und die Forschung. Die Jungen wurden unter anderem in der Restaurierwerkstatt, der Abteilung für Veröffentlichungen und der Stabstelle für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit aktiv.

Die größte Herausforderung für die Mitarbeiter*innen war es, den Schüler*innen im digitalen Format einen lebendigen Einblick in ihre Berufe und den Alltag an einer Forschungseinrichtung und Bibliothek zu vermitteln. Kreativität war gefragt und brachte viele unterhaltsame Vermittlungsmethoden hervor. „Generell ist ein Vor-Ort Besuch in der Restaurierungswerkstatt natürlich immer besser, um auch einen guten Eindruck von den verwendeten Materialien wie Leder, Pergament, Japanpapier etc. zu vermitteln bzw. bei der kleinen praktischen Arbeit Hilfestellung leisten zu können – aber ich war positiv überrascht, dass auch ein virtueller Werkstattbesuch durchaus funktionieren kann“, sagt Marenlise Jonah Höhlscher. Die Buchrestauratorin faltete im Rahmen des Zukunftstages mit den Schülern ein Origami-Buch und ermöglichte auf diese Weise trotz der Distanz eine praktische Erfahrung. Bei einer digitalen Führung mit dem iPad konnten die Jungen die Restaurierwerkstatt als Arbeitsplatz kennenlernen.

Zwei Häuser weiter führte auch Charleen Zander aus der Abteilung für Handschriften und Sondersammlungen drei Schülerinnen mit einem Smarthone durch die Räumlichkeiten der Herzog August Bibliothek. Zuvor hatten die Mädchen bereits eine kleine Schnitzeljagd absolviert. Zwischen Aufgabe und Lösung erschlossen sie sich die Welt mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Handschriften sowie die Arbeitsweisen der Forscher*innen und Bibliothekar*innen.

Eine weitere iPad-Tour gab es auch in der Stabsstelle EDV. Hier konnten die Kinder den Serverraum besichtigen. Die Mitarbeiter*innen der Stabsstelle für Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Forschungsabteilung und der Abteilung für alte Drucke führten dagegen über PowerPoint Präsentationen und kleine Aufgabenstellungen in ihren Berufsalltag ein.

Im Bereich der Digitalen Geisteswissenschaften lernten die Schüler*innen die Wolfenbütteler Digitale Bibliothek und die Sammlungsschwerpunkte Handschriften, Drucke und Graphiken kennen. Anhand des virtuellen Kupferstichkabinetts erklärte ihnen Marcus Baumgarten den Einsatz von Such- und Datenbanktechniken, anschließend konnten sich die Mädchen in der Editionsarbeit ausprobieren, indem sie die Herausforderung annahmen, die Handschrift in einem Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg (1599–1656) zu entziffern. Da in dem Text viele Personen vorkamen, bot sich die Anwendung eines weiteren Tools an: DLINA (Personennetzwerk deutschsprachiger Dramen). Die kleine Gruppe widmete sich besonders dem Harry Potter-Netzwerk und untersuchte, wie sich dieses von Band zu Band veränderte, um anschließend ein Fazit für die Handlung daraus ziehen zu können. Zum Schluss erstellte die Gruppe ihr eigenes Netzwerk.

Währenddessen machten die beiden Teilnehmer im Bereich der Veröffentlichungen ihre Motivation gleich deutlich. Sie haben sich gezielt für die Abteilung entschieden, da sie gern Geschichten schreiben und die Arbeit des Journalisten für sich anvisieren. „Die Jungen interessierten sich vor allem für den Weg zur Veröffentlichung eines Buches und fragten, wie das Buch in den Laden kommt. Beide machten sich sogar unermüdlich Notizen, weswegen wir unser Tempo drosselten, damit auch keine Information unnotiert blieb. Trotz der technischen Distanz, die mit dem Online-Meeting einherging, kam Spaß im Gespräch auf. Dadurch war es umso weniger bemerkbar, dass wir uns nur über den Bildschirm kennenlernen konnten“, berichten Jürgen May und Bianca Verhoef, die die Kleingruppe leiteten. Zum Schluss konnten sich die Schüler sogar das Design des eigenen Buches ausmalen. Vielleicht findet sich ja eines davon in einigen Jahren in den Regalen der Herzog August Bibliothek wieder.

 

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Die Autorin: Alexandra Serjogin