25. August 2021

HAB: Sie sind Fotografenmeisterin. Wie hat es Sie an die HAB verschlagen?

Michaela Weber: Das war ein glücklicher Zufall. Ich wollte eigentlich Bibliotheksassistentin werden und hatte mitbekommen, dass hier ein Ausbildungsplatz als Fotolaborantin zur Verfügung steht. Darauf habe ich mich beworben, aber auch noch eine Bewerbung hinterher geschoben zur Bibliotheksassistentenausbildung. Ich habe mir nicht allzu viele Hoffnung gemacht, hätte es nur zu gern gehabt, weil ich schon immer diese Faszination für alte Bücher hatte. Dann kam 1985 tatsächlich die Zusage für den Ausbildungsplatz zur Fotolaborantin. Ich habe die Ausbildung gemacht und das Glück gehabt, übernommen zu werden. Dann dachte ich mir irgendwann, es wäre schöner, wenn ich auch fotografieren könnte. Also habe ich eine verkürzte Fotografenausbildung gemacht und nach einigen weiteren Jahren bin ich zur Meisterschule gegangen und habe 2001 meine Prüfung abgelegt. Ich habe es nie bereut, dass ich mich für den fotografischen Berufszweig in der HAB entschieden habe.

 

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Michaela Weber vor der Bibliothek.

HAB: Was fasziniert Sie so an alten Büchern?

Michaela Weber: Ich bewundere, wie fein damals geschrieben wurde. Diese Feinheiten, die man in den Handschriftenminiaturen hat. Man sieht sie erst dann, wenn man die Digitalaufnahme vergrößert. Es ist unglaublich. Auf einmal sind da in den Wolken winzig kleine Gesichter. Diese Faszination ist da und wird immer bleiben.

In den letzten Jahren habe ich eine persönliche Faszination für Künstlerbücher entwickelt. Bei diesen modernen Büchern fehlte mir erst der Zugang. Aber mit der Restauratorin Katharina Mähler, die die Künstler selbst oft kennt und auch um deren Intentionen weiß, eröffnen sich mir völlig neue Welten. Zusammen überlegen wir, wie die Bücher ins rechte Licht zu setzen sind. Wie kommt das Wesen dieser Bücher zur Geltung? Eine faszinierende Arbeit, das genieße ich sehr.

HAB: Wie kommt es, dass Sie in der HAB mit Kameras arbeiten und nicht mit Scannern?

Michaela Weber: Diese Entscheidung war gar nicht so einfach. Ich habe aus meiner fotografischen Erfahrung gesagt: Ich möchte mit Kameras arbeiten. Scanner waren besonders in der Anfangszeit bei weitem nicht gut genug. Ich sollte auch sicherstellen, dass ich mich um die Geräte kümmern kann. Wenn bei unserer Spiegelreflex-Technik mal irgendwas hakt, kann ich mich selbst auf die Fehlersuche begeben und meistens bekomme ich es wieder hin. Außerdem bleiben wir so flexibel und müssen uns nicht an einen bestimmten Anbieter binden.

HAB: Welche Auswirkungen hatte die technische Weiterentwicklung auf Ihre Arbeit in der Fotowerkstatt?

Michaela Weber: Wir hatten das Glück, den Umbruch von analog zu digital mitgestalten zu können und sind richtig stolz darauf, wie wir die Fotowerkstatt weiterentwickelt haben. Als ich anfing, haben wir komplett analog gearbeitet. Filme wurden in unterschiedlicher Länge belichtet, entwickelt, auseinandergeschnitten, eingetascht, beschriftet; zuerst mit der Hand, später mit einer elektrischen Schreibmaschine. Es war ein finsterer Job mit wenig Tageslicht. Das Auftragsbuch wurde per Hand geführt. Manchmal kam es vor, dass sich ein Kunde nicht mehr an die Auftragsnummern erinnern konnte – dann verbrachten wir viel Zeit mit Suchen. Als die erste Auftragsdatenbank kam, das war großartig. Und die Arbeit im dunklem Fotolabor fiel weg. Dafür müssen wir jetzt mit der EDV-Stabsstelle immer sicherstellen, dass genügend Speicherplatz vorhanden ist. Auch die Weitergabe der Aufträge hat sich gewandelt: Zuerst haben wir Fotos verschickt, dann waren es CD-ROM, jetzt sind es Links zum Download.

HAB: Wie läuft ein Digitalisierungsauftrag ab?

Michaela Weber: Digitalisierungsaufträge kommen zunächst bei der Auskunft an. Dann wird bei der Restaurierwerkstatt angefragt, ob das Buch digitalisierbar ist. Die Kolleg*innen schauen: Was kann das Buch? Wie weit kann ich es aufschlagen? Worauf muss ich achten? Das Ergebnis bekommen wir schriftlich, zum Teil mit weiteren Hinweisen. Wir machen die Aufnahmen und legen die Bilder auf dem Server ab, kopieren sie noch auf ein Laufwerk für den Kunden-Download und machen eine ZIP-Datei daraus. Anschließend wird eine Rechnung und eine Email an den Besteller geschickt.

Wir sind im Haus sehr vernetzt und das ist schön, denn es gibt viele Rückfragen. Man hat auch oftmals unheimlich nette Kommunikation mit den Bestellern. Sie bedanken sich für das tolle Bild, für die nette Kommunikation oder dafür, dass es so schnell ging; das freut uns alle immer sehr.

HAB: Haben Sie gerade bei den kostbaren und seltenen Stücken auch manchmal Angst, ein Buch zu beschädigen?

Michaela Weber: Nein, aber wir gehen ja auch sehr vorsichtig vor. Wenn wir beim Digitalisieren merken, das tut dem Buch nicht gut, halten wir Rücksprache mit den Restauratoren. Es gibt immer mal wieder solche Fälle. Wir haben es in der Hand und merken, wenn ein Buch schon fast gequält seufzt beim Aufschlagen. Dann machen wir es gerne auch wieder zu. Jedes Buch ist einzigartig und muss auch so behandelt werden.

HAB: Welche verschiedenen Objekte haben Sie schon digitalisieren dürfen?

Michaela Weber: Das allermeiste sind Bücher. Aber natürlich hat die Bibliothek auch andere Objekte wie Büsten, Gemälde, die grafischen Sammlungen… Oder auch Besonderheiten wie Luthers Löffel, Luthers Trinkglas … Das sind die Dinge, die richtig Spaß machen.

HAB: Was war Ihr bisher aufregendstes Projekt?

Michaela Weber: Das aufregendste war eine etwa 60 Meter lange Thora-Rolle, die ich gemeinsam mit unserem Restaurator Heinrich Grau aufgenommen habe. Es war ein unheimlicher Aufwand. Wir haben sie zu zweit ausgerollt und die Aufnahmen immer nur segmentweise machen können. Wir mussten wahnsinnig vorsichtig sein, weil sie schon sehr alt und brüchig war.

HAB: Was sind die größten Herausforderungen bei Ihrer Arbeit?

Michaela Weber: Große Formate sind immer eine riesige Herausforderung. Die Karten zum Beispiel, weil sie aus vielen Einzelaufnahmen zu einem ganzen Bild zusammengesetzt werden müssen. Das Handling großer Formate ist insgesamt sehr aufwändig. Zum Teil sind die Bücher auch wirklich schwer und die Arbeit mit ihnen ist körperlich sehr belastend. Die immer gleichen Bewegungen sind nicht besonders rückenschonend. Es ist eine schöne Arbeit, aber auch eine anstrengende Arbeit.

HAB: Was wäre Ihr Wunschdigitalisierungsprojekt?

Michaela Weber: Das Evangeliar Heinrich des Löwen und Mathildes von England. Es gibt nur Scans von den alten Ektachromen von 1985. Die sehen furchtbar aus. Wir haben zwar alle digitalisiert, aber wo nichts ist, kann man auch nichts hervorzaubern. Schärfe kann man nicht simulieren, vergrünte Farben nicht viel schöner machen.

HAB: Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft an der HAB?

Michaela Weber: Dass wir unsere gute Kommunikation beibehalten. Die Bibliothek ist eine sehr offene Institution, die sich bewegen kann. Ich finde es schön, wenn die Bibliothek als eine Institution wahrgenommen wird, die mitten unter uns ist, wo jeder hingehen kann, um sich Wissen anzueignen, in der man gute Ansprechpartner findet und zu guter Letzt schöne Bilder bekommt.


Die obige Abbildung zeigt den Wolfenbütteler Buchspiegel. Diese Buchwippe wurde von der Herzog August Bibliothek in Zusammenarbeit mit den Firmen Fototechnik Kaiser und Image Engineering entwickelt und erlaubt die Digitalisierung empfindlicher Bücher bei einem buchschonenden Öffnungswinkel von nur 45°.


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Das Interview führte Dr. Elisabeth Engl.