28. Juni 2022

Prinzessin Sophie aus dem polnischen Königshaus der Jagiellonen unterhielt als Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel umfangreiche Korrespondenzen in lateinischer, italienischer und polnischer Sprache, betätigte sich als Diplomatin zwischen dem polnischen Königshof und den Reichsfürsten, besaß eine beachtliche Privatbibliothek mit zum Teil sehr kostbaren Einbänden aus dem polnischen Thronschatz und unterhielt eine Feldapotheke mit der dazugehörigen medizinischen Fachliteratur. Zwei Jahre nach dem Tod des katholischen Gatten bekannte sie sich offen zur lutherischen Religion und hatte zu dem Zeitpunkt schon eine Menge lutherischer Literatur konsumiert. Als Witwe wurde sie zum homo oeconomicus: Sie bewirtschaftete ihre beiden Ämter Schöningen und Jerxheim mit großem finanziellem Erfolg, erneuerte die Finanzverwaltung und initiierte die bauliche Erneuerung von Residenz und öffentlichen Gebäuden in ihren beiden Ämtern. Sophie war ob ihres Erbes und wirtschaftlichen Erfolges reich an Bargeld und wurde von Städten und Fürsten im Reichsgebiet sowie in Polen um hohe Summen Geldes als Leihgabe gebeten. Eine Ausnahme? Keineswegs – eher die Regel!

Das kulturelle, politische und kommunikative Engagement frühneuzeitlicher Fürstinnen ebenso wie der persönliche religiöse Standpunkt, aber auch ihre medizinischen wie wirtschaftlichen Aktivitäten waren wissensgeleitet. Die Tätigkeiten basierten auf Ausbildung, erworbenem Buchwissen, Lektüren und eigenem Buchbesitz. Im 18. Jahrhundert konnte der persönliche Buchbesitz von Fürstinnen mehrere tausend Titel umfassen. Interessierte sich die eine insbesondere für Bibelausgaben, so sammelte die andere mehr historisch-politische Werke und Biographien. Sicher, es waren auch immer Romane darunter, schließlich wollte frau auf der Höhe der Zeit sein und in der Kommunikation über Neuerscheinungen mitreden können. Gab es eine Landesuniversität, so bedachten Fürstinnen diese in ihren Testamenten wohl durchweg mit höheren Summen, schon allein deshalb, weil die Professorenschaft zu ihren engeren Kommunikationszirkeln gehörte. Die Förderung der Wissenschaften lag Fürstinnen am Herzen, auch weil sie selbst in diese gelehrte Soziabilität eingebunden waren.

Warum existiert keine systematische personenübergreifende Geschichtsschreibung von Fürstinnen und ihren kulturellen Aktivitäten einschließlich ihrer Bibliotheken und Netzwerke der Gelehrsamkeit? Warum gibt es keine Wirtschaftsgeschichte der Güterverwaltung fürstlicher Witwen? Die Antworten fallen wohl vielfältig aus und bewegen sich zwischen Unwissen, Desinteresse und Geringschätzung. Bei diesem Befund möchte die Herzog August Bibliothek nicht stehen bleiben. Die Bibliothek besitzt einige handschriftliche Verzeichnisse von Privatbibliotheken von Fürstinnen wie auch die physischen Bücher der Fürstinnen in ihrem Altbestand. Zusammen mit der Universität Trier plant sie ein umfangreiches Forschungs- und Erschließungsprojekt zu Fürstinnenbibliotheken im deutschsprachigen Raum.

 

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Abbildung: Herzogin Sophie, geb. Prinzessin von Polen (1522-1575), Supralibros, mittig auf dem hinteren Deckel ihrer polnischen Ausgabe von Jan Herburt, Statuta i przywileje koronne, Krakau 1570. Das Werk umfasst Gesetze der Regierungszeit ihres Großvaters, Vaters und Bruders als Könige von Polen.